Das Glas ist immer halb voll - die Küchenbranche macht sich Mut

Küchenmarkt

Das Glas ist halb voll

25. Januar 2023, 14:53
Die Küchenbranche macht sich Mut: Das Glas ist halb voll.

„Die Gesamt-Gemengelage bleibt angespannt. Aber nicht so schlimm, wie es in der Bild-Zeitung steht.“ Das Zitat eines Managers aus der Küchenmöbelindustrie fasst ganz gut zusammen, was uns bei einem ersten Rundruf durch den Küchenmarkt zum Jahresstart als Stimmungsbild entgegenschlug. Zwischen eingeschlafenem Auftragseingang und neuen, vielfach nicht ausgelasteten Kapazitäten hat die Küchenbranche ihren Optimismus nicht verloren.

Viele haben in den Gesprächen dieser Tage darauf hingewiesen – und wenn man mal an die Jahre vor Corona und auch vor der kapazitätsverknappenden Alno-Insolvenz zurückdenkt, war das auch so: Der Jahresanfang war traditionell immer schwach im Küchenbusiness. In der Industrie wurden Zeitkonten abgebaut; und wenn Kurzarbeit angemeldet werden musste, dann im ersten Quartal. Sobald die Tage länger wurden, spätestens um Ostern herum, dann wurde die Branche wieder von einer guten Auftragslage überrascht. Und das kurioserweise jedes Jahr aufs Neue.

So sieht das auch Andreas Wagner, Chef des Küchenbauers Rotpunkt-Küchen, der in Bünde gerade 80 französische Kunden zu einer kleinen Hausmesse außer der Reihe zusammengetrommelt hat: „Bei uns selbst wird der Januar umsatzseitig besser als 2022, auch preisbereinigt. Auf der anderen Seite sehe ich jetzt, dass die Küchenbranche in die normale Saisonkurve zurückkehrt, die wir vor der Pandemie kannten. Und wenn ich die Kurve beispielsweise über die von 2017 lege, sehe ich denselben Verlauf – nur höher.“ In dasselbe Horn stößt Nobilia-Geschäftsführer Dr. Lars Bopf: „Die Corona-Jahre waren besondere Jahre. Alle Schwankungen, die man sonst im Jahresverlauf hat, waren verändert. Jetzt bewegen wir uns wieder im normalen Muster.“ Bopf legt allerdings ein Aber nach: „Dieses Jahr ist alles sensibler zu betrachten, weil bei vielen Verbrauchern ein extrem hohes Maß an Unsicherheit geherrscht hat. Diese Unsicherheit wird allmählich abgebaut, aber sie ist noch nicht ganz weg. Die Dynamik steigert sich hoffentlich. Ab Ostern geht es weiter.“ Bis dahin gelte es, „anspruchsvolle erste Wochen“ zu überbrücken.___STEADY_PAYWALL___

„Die Verunsicherung wird sich lösen“, ist sich auch Schüller-Vertriebsleiter Frank Bayer sicher. „Ich bin für 2023 nicht so pessimistisch, weil viele Dinge jetzt wieder berechenbarer werden.“ Bei der Vertriebstagung neulich hat Bayer seiner Mannschaft eingebläut: „Wir bleiben chronisch euphorisch.“

Jetzt im Januar bekommen Endverbraucher ihre Stromabrechnungen und können ihre finanzielle Lage allmählich besser einschätzen. Was allerdings im ungünstigen Fall auch heißen kann: Es ist kein Geld mehr übrig. Je niedriger das Budget für die Küche, umso härter sind die jeweiligen Kunden von der Inflation betroffen. „Das Drama liegt im Einstieg, unterhalb der Mitte“, sagt ein Handelsmanager. In diesem Segment wird auch mit einer längeren Erholungszeit gerechnet, selbst wenn es neben Szenario eins („Keine neue Küche“) auch ein zweites Szenario gibt: „Preiseinstieg statt Mitte“, wovon dann die Hersteller sehr preisgünstiger Küchen wiederum profitieren würden.

Baumann-Geschäftsführer Matthias Berens, der über die Marken Bauformat und Burger einen Blick sowohl auf das höherwertige Segment als auch den Preiseinstieg hat, sagt es so: „Schon nach den Sommerferien war im unteren Bereich die Goldgräberstimmung vorbei. Der Preiseinstieg war wie abgeschnitten. Küchen bis 5.000 oder 6.000 Euro finden eigentlich kaum noch statt im Markt. Dass der Küchendurchschnittswert zuletzt noch mehr gestiegen ist, liegt nicht nur an den Preiserhöhungen, sondern auch daran, dass im unteren Bereich kaum noch gekauft wird.“ Mit Burger hat man sich in den letzten Jahren zwar mehr ins mittlere Preissegment reinbewegt, spürt die Tendenz aber dennoch dort, wo man im SB-Bereich noch vertreten ist.

Während bei der Kundschaft für die preiswerten Küchen schlicht das Geld knapp ist, steht der Küchenkauf im höheren Preisbereich in Konkurrenz mit anderen Ausgaben wie beispielsweise der energetischen Sanierung. Der Markt hat sich wieder in einen Käufermarkt gedreht. Überlange Lieferzeiten ade. Auch im höherwertigen Bereich wird teilweise von zweistelligen mengenmäßigen Auftragsrückgängen berichtet. Die Umsatzeinbrüche halten sich hier wegen der Preiserhöhungen in Grenzen.

Nolte- und Express-Geschäftsführerin Melanie Thomann-Bopp sagt es recht konkret: „Wir gehen nicht davon aus, dass wir bei den Mengen in den nächsten Wochen auf dem Vorjahresniveau unterwegs sein werden. Mengenmäßig planen wir eher auf dem Niveau von 2019.“ Die Entwicklung von Nolte und Express laufe dabei recht parallel und es können bislang auch keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Absatzkanälen erkannt werden. Hier dürfte die Gruppe allerdings in einer Sondersituation sein, da die im Preiseinstieg aktive Firma Express die Preise nicht im vergleichbaren Maß angehoben hatte wie direkte Wettbewerber.

Kehrt der Preiskrieg zurück?

Die an fast allen Stellen erweiterten Kapazitäten müssen gefüllt werden. Es werden Volumina gebraucht, um die sich der ein oder andere aus dem konsumigen Segment auch mit dem ein oder anderen Aktionsangebot bemüht. Das ist bei großen Handelsorganisationen durchaus angekommen. „Wir merken schon an den Aktionsangeboten, dass die Auslastung nicht so gut ist“, sagt ein Verbandsgeschäftsführer.

Dass wie in der Vergangenheit versucht würde, Maschinenfutter um jeden Preis zu erkaufen, das ist aber nicht der Fall. So geht man nur vor, wenn Personalabbau droht oder gar Existenzängste, was zumindest auf die großen Küchenbauer nicht zutrifft. Zu den Wackelkandidaten werden aktuell eher kleinere Unternehmen gezählt. Und selbst dort hört man zum Teil (Zweck-)Optimismus raus. Natürlich off-record: „In so einer Lage traut man sich vielleicht wenigstens, neue Vertriebsformen anzugehen.“

Da man es bei den Großen im Markt mit soliden Unternehmen zu tun hat, ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass vergleichbare „Schweinepreise“ in den Markt gebracht werden wie zu Alno-Zeiten, nicht allzu groß. Hinzu kommt der anhaltende Kostendruck. „Was die Industrie da im letzten Jahr einstecken musste, ist durch die Preissteigerungen längst nicht ausgeglichen. Zeitlich liefen wir ja alle sechs bis neun Monate hinterher. Das hat noch keiner wieder aufgeholt“, argumentiert Häcker-Vertriebsleiter Marcus Roth. Thomann-Bopp: „Es kehrt etwas Ruhe bei den Rohstoffkosten ein, bei den Transportkosten sehen wir das aber nicht so. Und eine Steigerung der Lohnkosten kommt erst noch auf uns zu.“ Die in den vergangenen zwei Jahren erlebte Kostenexplosion wird überwiegend auch als Grund dafür gesehen, dass trotz der abnehmenden Auslastung „keine wilde Hackerei bei den Preisen festgestellt wurde“, wie ein Vertriebsmann sagt. „Momentan halten alle die Füße still.“ Festgestellt wurde aber, dass der Kampf im Projektgeschäft zugenommen hat – mehr Händler bewerben sich um die Projekte, unterbieten sich gegenseitig. Hier können dann gegebenenfalls Lieferanten aus dem Preiseinstieg punkten – oder andere mit einem Nachlass.

„Kann man mit Preisaktionen überhaupt mehr verkaufen?“, ist übrigens eine berechtigte Frage. Zumindest die Wohnungsfertigstellungen kurbelt man damit nämlich auch nicht an. Von den geplanten 400.000 Wohnungen ist im letzten Jahr schätzungsweise gerade mal die Hälfte fertiggestellt worden. Dass es im Wohnungsbau weiter vorangehen muss, ist aber auch klar, schließlich wird Wohnraum gebraucht. Kommt das nicht durch die Privatwirtschaft, dann vielleicht mit staatlicher Unterstützung – aber nicht ad hoc.

Andere Länder, anderes Mindset

Große Hoffnungen legen die Küchenbauer weiterhin auf den Export, der ja bereits 45 Prozent am Umsatz ausmacht. Nicht alle sind solche Schwarzmaler wie die Deutschen. „In anderen Märkten haben sie ein anderes Mindset“, sagt Melanie Thomann-Bopp. Das kann helfen. Als sehr wahrscheinlich wird in der Branche aber vor allem gesehen, dass deutsche Hersteller sich auf den internationalen Märkten durch ihre Qualität und Prozesse Marktanteile holen, wie das in den vergangenen Jahren beispielsweise in Frankreich gelungen ist.

Auf dem deutschen Markt war das Küchen-Verkaufen in den zurückliegenden Jahren mehr oder weniger ein Selbstläufer. „Davon haben auch die profitiert, die ihren Job vielleicht gar nicht so gut machen“, sagt ein Händler über seine Mitbewerber. „Jetzt wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Sowohl im Handel als auch in der Industrie.“ Ein anderer weist auf die Bedeutung guter Verkäufer hin, deren Qualitäten jetzt wieder wichtiger werden. „Viele Verkäufer haben in den letzten Jahren das Verkaufen verlernt“, sagt er.

Zum Glück, das darf man auch nicht unerwähnt lassen, gibt es innerhalb des sich abschwächenden Marktes auch noch wachsende Marktsegmente. Dazu gehören zum Beispiel die Funktionsarmaturen, so dass es nicht wundert, dass Quooker-Deutschland-Geschäftsführer Daniel Hörnes auch 2023 selbstbewusst mit weiterem Wachstum plant. Und im Hausgerätebereich ist, gerade durch die Energiekrise, die Energieeffizienz ein Treiber. „Die Menschen sind bereit, in energieeffiziente Hausgeräte zu investieren“, sagt Martin Wolf von der EK/Servicegroup, der bei der gerade zu Ende gegangenen Verbandsmesse in Bielefeld Stimmen zur Marktlage eingeholt hat.

Im INSIDE Küche-Talk zum Jahresstart haben wir uns mit Baumann-Geschäftsführer Matthias Berens, Quooker-Chef Daniel Hoernes und Küchenhändlerin Yvonne Zahn vom Küchenstudio Proform über die ersten Wochen des Jahres und ihre Erwartungen ausgetauscht. Yvonne Zahn spricht ganz sicher nicht für die gesamte Branche, wenn sie sagt: „Wir wollen in diesem Jahr nicht mehr wachsen“, bringt damit aber ein weiteres Thema auf den Tisch: Viele Unternehmen sind in den zurückliegenden Boom-Jahren an strukturelle Grenzen gestoßen. Vollauslastung bis Überlastung in Industrie und in Auslieferung und Montage des Handels sowie Mehrfachanfahrten durch Versorgungsprobleme. Nicht zu vergessen auch der hohe Krankenstand in den Unternehmen, der gerade zum Jahresende nochmal sämtliche Planungen zunichte machte. Hier scheint im neuen Jahr wieder etwas Ordnung reingekommen zu sein. Hoffentlich von längerer Dauer.

Und mittel- bis längerfristig hängt natürlich das seit Jahren prophezeite Thema des Fachkräftemangels über der Branche. „Die Mitarbeitersuche ist aktuell unsere größte Herausforderung“, sagt Melanie Thomann-Bopp nicht nur für Nolte-Küchen. „Der Markt dreht sich gerade komplett. Bei Bewerbungsgesprächen stellen die Bewerber die Forderungen.“

In den kommenden Wochen werden wir auf INSIDE Küche immer mal wieder INSIDE Talks zur Marktlage veröffentlichen. Neben der oben aufgeführten Runde ist bereits ein Talk mit Jochen Pohle, Martin Wolf und Christian Claes von der EK/Servicegroup im Kasten; und für Anfang Februar hat schon das Blanco-Duo Thorsten Neelen und Martin Hopf zugesagt.

Einblicke in die Entwicklung ihrer Unternehmen und ihre Erwartungen haben wir außerdem noch bei Ballerina-Chefin Heidrun Brinkmeyer und bei Leicht-Boss Stefan Waldenmaier eingeholt.

 

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